Dokumentation Round-Table No. 4

Stiftung Mercator, Essen, 21.07.2017

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Rahmen

Der vierte und letzte Round-Table fand als Meeting bei der Stiftung Mercator in Essen statt. 13 Expert*innen aus Wissenschaft, Schulverwaltung, Stiftungswesen, privaten Organisationen und Bundesministerium beschäftigten sich, moderiert durch die DeGeDe, mit den Fragen, wie sich die erstens die Angebote in der Ausbildung und zweitens in der Fortbildung pädagogischer Fachkräfte unterstützen und optimieren lassen. Die Runde profitierte erneut von den unterschiedlichen Blickwinkeln, Erfahrungen und Kompetenzen der Akteure und konnte wertvolle Hinweise für die Entwicklung der Bündnisinitiative erarbeiten.
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Moderation

Josef Blank, Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik e. V.
Martin Nanzig, Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik e. V.

Dokumentation Round-Table No.4

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Thesen

Wie können wir die demokratiepädagogische Aus- und Fortbildung von pädagogischen Fachkräften unterstützen?

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Übervolle Lehrpläne an den Universitäten

Die Einbindung der Demokratiepädagogik in die Curricula der Lehrer*innen-Ausbildung als weiteres Pflichtmodul ist eine große Herausforderung, da sie im „Wettbewerb“ mit anderen Themen und Fächern steht und Veränderungen in den Prüfungsordnungen längerfristige Prozesse erfordern.

Ausgangssituation in der Ausbildung sehr unterschiedlich

In Deutschland existieren 6 Varianten der Lehramtsausbildung, die gesondert betrachtet werden müssen. Für jede braucht es passende Ansätze für die systematische Integration der Demokratiepädagogik in die Curricula.

Lehrer*innen-Ausbildung im Ganzen betrachten

Die drei Phasen der Lehrerausbildung sollten nicht getrennt voneinander, sondern als Ganzes betrachtet werden und in (mehr) Abstimmung miteinander gebracht werden.
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Aus- und Fortbildung braucht institutionelle Unterstützung

Die unflexiblen Strukturen in formalen Bildungseinrichtungen erschweren oder verhindern die flexible Gestaltung von Kooperationen mit außerschulischen Partnern, Organisationen und Programmen. Hier braucht es strukturelle Nachbesserung.

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Akute gesellschaftliche Themen zum Anlass nehmen

Die Demokratiepädagogik kommt häufig „moralisierend“ daher. Stattdessen sollten aktuelle Problemlagen, wie z.B. Extremismus/Salafismus zum Anlass genommen werden, um die Kinder und Jugendlichen zu aktivieren, in die Diskussion zu bringen und die demokratische Pädagogik insgesamt in Schule zu etablieren.

Demokratie lernen und leben

Klassischer Unterricht ist nicht geeignet, um Haltung zu verändern. Hierfür braucht es entsprechende demokratiepädagogische Lernarrangements.

Ganztagsschule als „Türöffner“

Der Ganztag in Schule bringt zwangsläufig Öffnung für den außerschulischen Bereich und Organisationsentwicklung mit sich. Er bietet damit ein günstiges „Einfallstor“ für die demokratische Schulentwicklung.

Demokratielernen in undemokratischen Strukturen

Demokratisierung von Schule bedeutet „Machtverlust“. Demokratiepädagogik wird nur dann auf eine hinreichende Akzeptanz stoßen, wenn erfolgreiche Praxis gezeigt und der konkrete „Mehrwert“ für die Akteure deutlich wird. Gegen den Willen der pädagogischen Fachkräfte kann Organisationsentwicklung nicht gelingen.

Empfehlungen für die Bündnisinitiative

Wie können wir die demokratiepädagogische Aus- und Fortbildung von pädagogischen Fachkräften unterstützen?

Wesentliche Stakeholder nicht vergessen

Die Kinder und Jugendliche, aber auch die Eltern dürfen bei der Entwicklung der Bündnisinitiative nicht vergessen werden. Hierzu bedarf es spezieller Formate.

Status Quo Betrachtung auf Ebene der Pädagog*innen

Neben einer Umfeldanalyse gelingender demokratiepädagogischer Praxis sollte über eine Studie zum Demokratieverständnis von Lehrer*innen und Erzieher*innen nachgedacht werden.

Staatliche Stellen einbeziehen

Um die gewünschte Reichweite und Wirkung zu erzielen, braucht es neben den zivilgesellschaftlichen Akteuren auch die staatlichen Stellen auf Bundes-, vor allem aber auch auf Länderebene. Diese sollten mit gezielter Ansprache einbezogen und auch finanziell in die Pflicht genommen werden.

Einbindung der Demokratiepädagogik in den FS und FH beginnen

Das Thema Partizipation ist in den Curricula der Erzieher*innen-Ausbildung bereits recht gut verankert. Die Einbindung in die Lehrer*innen-Ausbildung ist vermutlich ebenfalls auf Ebene der FS und FH leichter zu realisieren, als auf Ebene der Universitäten.

Start der demokratiepädagogische Initiative in der Kinder- und Jugendhilfe

Die Aussichten für eine zeitnahe Umsetzung sind im Jugendhilfebereich, der mittlerweile personell größer ist als der Schulbereich, voraussichtlich besser, da hier das Grundverständnis für den Zusammenhang zwischen Gegenstand und pädagogischer Vermittlung stärker ausgeprägt ist.

Aus gelingender Praxis lernen

Beispiele, wie die Lernwerkstatt Gleichheit und Differenz der Universität des Saarlandes können als Modellprojekt für die Einbindung in die Lehrer*innen-Ausbildung dienen. Gelingende Beispiele der Partizipation im Elementarbereich bieten „Aha-Erlebnisse“ für angehende Pädagog*innen, um sie für das Thema zu öffnen und zu motivieren.

Lern- und Erfahrungsräume in der Ausbildung schaffen

Die demokratiepädagogische Lehrer*innen-Ausbildung muss Räume zur Reflexion bieten und aus gelingender Praxis (Hospitationen und Austausch) lernen. Tandems von Anwärtern in der zweiten Phase der Lehrer*innen- Ausbildung und erfahrenden Praktiker*innen können Reflexionsräume und den Transfer von Erfahrungswissen bieten.

Demokratielernen und Inklusion zusammen denken

Die Alleinstellungsmerkmale der Demokratiepädagogik sollten (besser) herausgearbeitet werden, z.B. im Hinblick auf die förderlichen Synergien mit Inklusion. Als gelingendes Beispiel kann ein neun entstehendes Modellprojekt des Berliner Senats in Zusammenarbeit mit den Universitäten und der DeGeDe dienen.

Demokratiepädagogik im Zentrum

Die Demokratiepädagogik sollte das zentrale und verbindende Element in der Bildungspädagogik sein und nicht eines von vielen. Sie muss deutlich machen, dass sie das wesentliche Querschnittsthema ist, den gesamten Fächerkanon betrifft und unabdingbar ist – nur dann wird der Druck auf das System groß genug sein, um verändernd zu wirken.

Demokratiepädagogik bedeutet demokratische Entwicklung

Die Beschäftigung mit Demokratiepädagogik ist als Bestandteil der Organisationsentwicklung zu betrachten. Demokratiepädagogik in Schule ist immer auch Teil der Schulentwicklung und des Schulprogramms.

Strukturen müssen verändert werden

Demokratiepädagogik sollte, ähnlich wie Inklusion, einen strukturverändernden Charakter haben, um nachhaltig wirksam zu sein.

MINT als Beispiel nehmen

Demokratiepädagogik und die verbundenen Themenfelder sollten nicht isoliert, sondern im Verbund betrachtet und gemeinsam „vermarktet“ werden. Nur so lässt sich genug Kraft entfalten, um den Themenkreis systematisch in allen Aus- und Fortbildungsbereichen zu verankern.

Demokratiepädagogik als wertvolle Ergänzung zu MINT

Im MINT-Bereich bemüht man sich aktuell darum, ethisch-moralische Aspekte und Werte zu integrieren – dies stellt eine günstige Gelegenheit für die Demokratiepädagogik dar.

Demokratie muss (auch) „sexy“ sein

Der Demokratiepädagogik fehlt es an „Sexappeal“: sie kommt oft „etwas sperrig daher“ und stößt oft nur auf begrenztes Interesse bei den Kindern und Jugendlichen bzw. den begleitenden Pädagog*innen. Es braucht daher eine regelrechte „Marketingstrategie“ für das Thema.

Narrativ und Wirkungslogik weiter entwickeln

Die Bündnisinitiative benötigt ein noch besseres Narrativ, welches die konkreten Ziele und Wirkungen, sowie den Mehrwert für die beteiligten Organisationen beschreibt. Damit ließe sich die Ansprache weiterer Förderer, Unterstützer und Partner verbessern.

Teilnehmer*innen

Nina Cvetek

Deutsche Kinder- und Jugendstiftung, Berlin

Dr. Tobias Diemer

Stiftung Mercator Essen

Rolf Hanisch

Deutscher Verein zur Förderung der Lehrerinnen- u. Lehrerfortbildung e.V., Hannover

Jan Hofmann

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen u. Jugend, Berlin

Ulrike Kahn

Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik e.V., Berlin

Sarah von Oettingen

Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V., Frankfurt

Nicola Poitzmann

Hessisches Kultusministerium, Frankfurt

Dr. Robert Reick

Universität des Saarlandes, Saarbrücken

Vincent Steinl

Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik e.V., Berlin

Jannis Stenzel

Landeszentrale für politische Bildung NRW, Düsseldorf

Linda Struck

Stiftung Mercator, Essen

Prof. Dr. Benedikt Sturzenhecker

Universität Hamburg

Klaus Wenzel

Bayrischer Lehrer- und Lehrerinnenverband München